Ein typisches Österreichbild? Eine Berglandschaft mit Gletscher. Ein Anblick, wahrlich zum Dahinschmelzen. Das in Nähe der Gletscher lebende Murmeltier, hätte darüber – wenn es sprechen könnte – gewiss einiges zu berichten. Während das Murmeltier im unaussprechlichen Punxsutawney in Pennsylvenia den Filmschauspieler Bill Murray täglich grüßt und dabei sich ein Tag immer und immer wiederholt, passiert dieses Schauspiel in den europäischen Alpen alljährlich. Nämlich dann, wenn der Alpenverein im Frühjar den aktuellen Gletscherbericht veröffentlicht. Und dieser sieht seit den 1990er Jahren ähnlich aus.

Gletscherbericht 2018

Die Gletscherrückgänge sind im Bericht 2018 weniger auf geringere winterliche Temperaturen in der Vorsaison zurückzuführen, als auf zu hohe Temperaturen im Sommer 2017.

In den Monaten August bis Oktober 2017 waren 22 Gletscherbeobachter mit 70 Begleitern ehrenamtlich auf Österreichs Gletschern unterwegs. Längen, Höhen und Fließgeschwindigkeiten von 75 Gletschern wurden direkt vor Ort vermessen, von acht weiteren Gletschern wurden Veränderungen mit Fotovergleichen erhoben. Und es ist wohl keine Überraschung, wenn auch dieser Gletscherbericht von einem Negativrekord berichtet.

Bis zu 125 Meter Verlust in einem Jahr

Im Durchschnitt verloren Österreichs Gletscher eine Länge von über 25 Metern und dieser Wert entspricht dem größten Verlust der seit 1960 beobachteten Gletscher. Einzig das Simony-Kees in der Venedigergruppe blieb in der Länge stabil. Spitzenreiter beim Längenverlust im diesjährigen Messzeitraum ist der Gepatschferner in den Ötztaler Alpen mit unglaublichen 125 Metern. In einem Jahr verlor der Gepatschferner also über die Länge eines Fußballfeldes.
Dicht gefolgt ist diese Verlustlänge vom Waxeggkees in den Zillertaler Alpen und dem Winkelkees in der Ankogel-Hochalmspitzgruppe in Kärnten. Die Pasterze hingegen blieb konstant bei ihren etwa 60 Metern Verlust. Ich erwähne es nur nochmals: Diese Zahlen beziehen sich auf ein Jahr.

Hallstätter Gletscher: kontinuierlicher Rückgang

Auswirkungen der Gletscherschmelze

Mittlerweile dürfte es also schon in jede Krabbelstube durchgedrungen sein, dass Gletscher – nicht nur in Österreich und den Alpen – aufgrund steigender Globaltemperaturen enorme Massenverluste hinnehmen müssen. Aber was bedeutet es eigentlich für uns als Menschen, wenn sich Gletscher im wahrsten Sinn in Luft auflösen?

Lokale Auswirkungen können verheerend sein. Durch das rasche Abschmelzen werden Gletschervorfelder freigelegt, deren lockeres Gestein bei stärkeren Regengüssen als Mure ihren Weg ins Tal suchen kann. Ein anderes Beispiel war der Felssturz an der Ostflanke des Eigers im Jahr 2006 in der Schweiz. Über Hunderttausende Kubikmeter Gestein – entspricht etwa 160 mittelgroßen Einfamilienhäusern – stürzten auf den Unteren Grindelwaldgletscher. Als Ursache wurde der fehlende Druck des schrumpfenden Gletschers auf die Felspartie festgestellt.

Marzellferner in den Ötztaler Alpen

Die Gletscherschmelze beeinflusst den Wasserhaushalt in Österreich. Vor allem als langfristige Trinkwasserreserve werden Gletscher zunehmend an Bedeutung verlieren und somit steigt auch die Gefahr von Wasserengpässen. Dies hat in weiterer Folge auch für die in Österreich besonders stark ausgeprägte Stromproduktion aus Wasserkraft Auswirkungen.

Verschwundene Gletscher geben eine Fläche frei, die von Pflanzenarten bewohnt werden kann. In den Medien geisterte im Frühling 2018 die Meldung herum, dass durch erhöhte Temperaturen Pflanzenwuchs in höheren Lagen zunimmt. Die Alpenpflanzen wachsen also gemächlich Richtung Gipfel. Wenig erwähnt wurde, dass zwar der Wuchs zunimmt, die Artenvielfalt jedoch abnimmt. Denn eine Pflanze, die jetzt schon nur mehr in ganz hohen Lagen zu finden ist, wird sich von Mal zu Mal schwer tun, eine Fläche oberhalb des Gipfels zu finden.

Und dann ist hier natürlich der Tourismus, der unter den schwindenden Gletschern leiden wird. Abgesehen dem Ende von Gletscher-Skigebieten und der Schneesicherheit, verschwindet mit den weißen Flächen eine ästhetische Attraktion in den Alpen. Dass ich mit der Strategie des Tourismus – weitere Skilifte in höheren Lagen, rein technischer Beschneiung, akzeptierte ökologische Schäden – wenig anfangen kann, dürfte wohl kein Geheimnis sein.

Peter Schröcknadels Skepsis

Der Präsident des mächtigen ÖSV, Peter Schröcksnadel, ist ein bekannter Skeptiker aktueller Klimamodelle, die eine steigende Temperatur auf Basis erhöhter Treibhausgasemissionen stützen. So argumentiert er in einer Diskussion auf Servus TV, dass der Gletscher in Saas-Fee (er meint wohl den Feegletscher in der Schweiz) zwischen den Jahren 1830 und 1880 um 300 Meter zurückgegangen ist: „Da hat’s kein CO2 gegeben, da hat’s keine Industrie gegeben, warum gibt’s das dann?“

Herrn Schröcksnadel ist offenbar nicht bewusst, dass die Erde kein stabiles Gewächshaus ist, sondern sich immer klimatische Änderungen vollziehen. Er stützt seine Skepsis also auf einen Gletscherrückgang des Feegletschers von 300 Metern zwischen den Jahren 1830 und 1880 (Quelle dazu fand ich keine). Der Gepatschferner hat von 2016 auf 2017 rund 125 Meter verloren. Also: 300 Meter in 50 Jahren gegen 125 Meter in einem Jahr. Soviel dazu.

Gefahr für den Sommertourismus

Unabhängig vom Tourismus hat die Gletscherschmelze auch einen Einfluss auf alpinistisch veranlagte Bergmenschen. Das Bergsteigen im Hochgebirge wird gefährlicher und unberechenbarer. Eiswände tauen ab, „klassische Routen“ auf berühmte Gipfel werden in Zukunft aufgrund fehlender Eisunterlage nicht mehr möglich sein.

Auch Weitwanderer und Bergsteiger betrifft das Verschwinden der Gletscher direkt, insbesondere Begeher der hochalpinen Variante des Zentralalpenweges 02. Wir sollten uns bewusst sein, dass wir auf unseren Wandertouren zu, an oder über Gletscher auf ein Stück zukünftige Geschichte treffen. Und wenn ihr in Sichtkontakt zu einem Murmeltier seid, sollte es den Gletschern zuliebe einen Schatten werfen. Denn dann würde es – wie in Punxsutawney – sechs weitere Wochen Winter geben.


Dieser Bericht erschien zu manchen Textabschnitten bereits im Magazin weitweg des ÖAV Sektion Weitwanderer, 2/2018.

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