Im Rahmen meines Projektes der europäischen Landeshöhepunkte sollte nach dem Rysy in Polen, und einer nicht erfolgreichen Tour in Liechtenstein, der zweite Berg der ungeplanten Liste folgen. Ich spreche von der Zugspitze in Deutschland. Traumwetter, eine unglaubliche Fernsicht und noch dazu Wochenende: eine Mischung, welche die Tour nicht unbedingt zu einer Einsamen machte.

Die kompakten Informationen und Übersichtskarte zu dieser Tour findest du am Ende des Berichtes.

Nächtliche Anreise

Die Reise starten ich und meine Begleiterin Heidi an einem warmen Freitag Abend im September 2012 in Wiener Neustadt. Unsere Endstation heißt Ehrwald in Tirol, welche wir mit Umstiegen in Bruck/Mur, Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen um halb 9 Uhr Vormittag erreichen. Ausgeschlafen kann man unseren Geisteszustand nicht bezeichnen, es gibt jedoch kein Zurück mehr – heroisch formuliert.

Netter Ausblick am Bahnhof Ehrwald, die Ehrwalder Sonn-Spitze.

Netter Ausblick am Bahnhof Ehrwald, die Ehrwalder Sonn-Spitze.

Langer Aufstieg

Als Aufstiegsweg zur Zugspitze haben wir uns für den Stopselzieherweg (Klettersteigschwierigkeit A/B) entschieden. Dieser ist rein von der Weglänge und auch wegen der Haltestellensituation für uns der Sinnvollste. Ab der Zugstation Ehrwald spüren wir die ersten Meter Asphalt unter unseren Füßen, ehe wir endlich den Steilhängen näher kommen. Der Weg verläuft etwas unspektakulär und sehr ruhig die Skipisten hinauf, dann kämpfen wir uns durch ein Latschenfeld und queren einen Geröllhang. An diesem Hang treffen wir auf den von Westen kommenden Aufstiegsweg der Zugspitzbahn-Talstation. Spätestens ab jetzt fühlen wir uns nicht mehr so einsam.

Blick auf Lermoos.

Blick auf Lermoos.

Gemeinsam geht es neben Geröllfeldern auf einem Steig zu einer kleinen Erhebung (kurz vorher befindet sich gut markiert ein kleiner Klettergarten mit ausgesprochen interessanten Routennamen, Zipfelklatscha o.ä.).

Ich weiß wohl wie der Name der Route entstand.

Ich ahne wie der Name der Route entstand.

Oben auf der Erhebung erhalten wir erste Einblicke auf den in Bayern liegenden Eibsee. Die Idylle trübt nur eines: alle 15-20 Minuten hören wir ein leises Surren der Zugspitzbahn, welche über unsere Köpfe hinweg rauf und runter fährt. Die Sonne hat mitterweile den Bergrücken überwunden und zeigt sofort ihre ganze Kraft. Ein traumhafter Ausblick in die Ammergauer Alpen begleitet uns auf dem schmalen Weg und wir erreichen pünktlich zur Mittagszeit die Wiener Neustädter Hütte.

Eine Stütze für die Tiroler Zugspitzbahn.

Eine Stütze für die Tiroler Zugspitzbahn.

Dunkelblau präsentiert sich der Eibsee.

Dunkelblau präsentiert sich der Eibsee.

Am Vorabend noch in Wiener Neustadt und jetzt bei der namensgleichen Hütte, Sachen gibt’s. Dort widmen wir uns an der angrenzenden Picknickwiese einer ausgiebigen Brotzeit. Während wir uns mit Kalorien füllen und von der Sonne braten lassen, beobachten Heidi und ich die Punkte an der Wand gegenüber, welche sich langsam nach oben bewegen. Viel Verkehr im Stopselzieherweg, die Bergstation der Tiroler Zugspitzbahn ist schon gut erkennbar und scheinbar zum Greifen nah.

Münchner Haus, Stopselzieher-Steig und das Österreichische Schneekar von oben nach unten.

Münchner Haus, Stopselzieher-Steig und das Österreichische Schneekar von oben nach unten.

Bevor uns die Müdigkeit auf der Picknickwiese überkommt, alle Voraussetzungen für einen Mittagschlaf waren gegeben,  raffen wir uns auf, ziehen unsere Klettersteig-Ausrüstung an und machen uns über das Österreichische Schneekar auf den Weg zum Einstieg des Stopselziehers. Die Sonne bescheint nun den kompletten Hang, die Schneefelder sind mittlerweile wieder fast alle weggeschmolzen. Eine Woche zuvor lag ein halber Meter Schnee auf der Zugspitze.

Über das Österreichische Schneekar geht es zum Stopselzieher, im Hintergrund die Wiener Neustädter Hütte.

Über das Österreichische Schneekar geht es zum Stopselzieher, im Hintergrund die Wiener Neustädter Hütte.

Im Stopselzieher

Spektakulär ist der Beginn des Steiges. Man durchquert ein schmales Höhlenstück, etwas steil und ziemlich rutschig; es sollte jedoch meine einzige Sicherungsnotwendigkeit bleiben. Der Steig ist sehr gut gesichert, fast schon zu gut. Ausweich- und Überholmanöver gestalten sich auch unschwierig. Man findet fast immer einen guten Standplatz, auch um die Kamera rauszuholen oder den Wasserverlust wieder etwas zu reduzieren. Wir überholen zwei Männer ohne Ausrüstung, von der Statur her sind die Zwei zu Vergleichen mit Stan Laurel und Oliver Hardy. Stan ist geübt, Oliver aber keucht und schwitzt sich die Seele aus dem Leib und wirkt dem Exitus nahe. Wenn sie nicht umgedreht haben, dürften sie wohl heute noch unterwegs sein.

Nauf geht's am Stopselzieher.

Nauf geht’s am Stopselzieher.

Höhlendurchstieg am unteren Ende des Stopselziehers.

Höhlendurchstieg am unteren Ende des Stopselziehers.

Absteigende Menschen warnen uns vor einer “orschglottn Eisplottn” im oberen Teil und weisen auf eine kleine biologische Tretmine hin, da hatte wohl im wahrsten Sinn jemand die Hosen zu voll.

Mitten im Stopselzieher.

Mitten im Stopselzieher.

Blick vom Stopselzieher nach Westen.

Blick vom Stopselzieher nach Westen.

Im Stopselzieher-Klettersteig mit Blick auf das alte Diensthaus.

Im Stopselzieher-Klettersteig mit Blick auf das alte Diensthaus.

Nachdem uns eine Markierung des Nordalpenweges entgegenleuchtet und wir endlich oben am Kamm angekommen sind, werden wir mit einem Blick in eine unvorstellbare Ferne belohnt.

Der Stopselzieher ist geschafft, jetzt "zaht" es sich zum Münchner Haus.

Der Stopselzieher ist geschafft, jetzt „zaht“ es sich zum Münchner Haus.

An der Zugspitze trifft man auf eine Alpinvariante des Nordalpenweges.

An der Zugspitze trifft man auf eine Alpinvariante des Nordalpenweges.

Wir erkennen das Who is Who der Ostalpen mit freiem Auge: Olperer, Wildspitze, Ortler und Piz Bernina. Etwas getrübt wird die Aussicht als wir hinab auf die bayerische Seite der Zugspitze blicken. Hier ist man nämlich eifrig an den Baustellen beschäftigt, um in einigen Wochen für den Wintertourismus gerüstet zu sein. Der angrenzende Nördliche Schneeferner erinnert auch nur mehr ferner an einen Ferner. Jedenfalls zum Schlitten fahren Anfang September ist er gut genug.

Vom Nördlichen Schneeferner ist im September auch nicht mehr viel übrig.

Vom Nördlichen Schneeferner ist im September auch nicht mehr viel übrig.

Wir befinden uns nun am höchsten Biergarten Deutschlands.

Wir befinden uns nun am höchsten Biergarten Deutschlands.

Der höchste Biergarten Deutschlands

Vor uns präsentiert sich das Münchner Haus nun in voller Pracht. Es dauert jedoch noch etwas, bis wir die Terrasse des höchsten Biergarten Deutschlands erreichen, nach den vielen Höhenmetern “zaht” sich das letzte Teilstück doch noch etwas.

Das Münchner Haus: dort ist alles das höchstgelegenste Deutschlands.

Das Münchner Haus: dort ist alles das höchstgelegenste Deutschlands.

Endlich oben angekommen schlendern wir ohne Umwege in Richtung Gipfelkreuz. Wie nicht anders zu erwarten staut es sich, an die 30-40 Personen sind gierig auf ein Foto neben dem Gipfelkreuz. Wir stehen etwa 10m unterhalb und schießen dort unser Gipfelfoto. Ein Foto neben dem Kreuz itself wird sicher mal fallen, der Jubiläumsgrat hat’s mir angetan.

Stau am Gipfel der Zugspitze.

Stau am Gipfel der Zugspitze.

Wenn wir schon nicht neben dem Kreuz stehen, so stehen wir wenigstens unter Zeitdruck. Um 19:40 Uhr soll der letzte Zug den Bahnhof Ehrwald verlassen, wir benötigten für den Aufstieg aber mehr Zeit als gedacht, außerdem werden gerade die letzen Bier ausgeschenkt, es ist kurz nach 16 Uhr. An den Rückweg zu Fuß ist nicht zu denken und wir entscheiden uns, die 25 Euro für ein Seilbahnticket hinzublättern. Nach kurzer Orientierungsphase finden wir in dem Megakomplex auch die Abfahrtshalle. Ich vermute, dass sich hier im Gebäude mehr Menschen verirren als am Berg.

Rückfahrt und Résumé

Mit der Tiroler Zugspitzbahn ging's bergab.

Mit der Tiroler Zugspitzbahn ging’s bergab.

Ausklingen lassen des perfekten Berg-Tages.

Ausklingen lassen des perfekten Berg-Tages.

Um die 100 Personen passen ohne Gedränge in eine Gondel, drei Minuten und ein Apres-Ski-Lied später erreichen wir die Talstation der Tiroler Zugspitzbahn. Von hier geht es auf gemütlichen Wanderwegen zurück nach Ehrwald. Nach einer kühlen Erfrischung in Form eines Bieres sitzen wir schon wieder im Zug nach Garmisch und erreichen am Abend Innsbruck. In der Inn-Metropole treffen wir Bekannte und feiern unseren Erfolg bis spät in die Nacht hinein, die Heimreise erfolgt nach einem Badetag an der Brandenberger Ache erst am nächsten Tag, ebenfalls wieder mit dem Zug und – zum Glück für unsere Mitreisenden – eiskalt und frisch gewaschen.

Die Zugspitze wäre also geschafft, fast. Anreise mit der Bahn, Abreise mit der Bahn, wenige Meter vom Gipfelkreuz entfernt, Abstieg mit der Gondel. So umweltfreundlich als an diesem Tag für uns möglich war. Ich habe jedoch noch nie einen so extrem verbauten Gipfel gesehen. Drei Seilbahnen verfrachten die Menschen auf die höchsten verlegten Terrassenplatten Deutschlands und man sollte nicht außer Augen lassen, dass dieser Berg fast 3000m hoch ist. Der Aufstieg über den Stopselzieher macht richtig Spaß, wer Einsamkeit sucht ist an der Zugspitze aber falsch. Trotzdem werde ich wohl wieder kommen, hach…dieser Jubiläumsgrat geht mir nicht mehr aus dem Kopf.

Die Tour wurde im September 2012 begangen. Mit dabei hatten wir die AV Karte 4/2 Wetterstein- und Mieminger Gebirge, Mitte und die freytag & berndt WK 322; die Karten sind ideal und vollkommen ausreichend. Noch dazu gibt es wohl keinen deutschsprachigen Kartenhersteller, der keine Zugspitz-Karte im Angebot hat. Karten gibt es also genug, ebenso haben alle bekannten Bergverlage Wanderführer zur Zugspitzregion in ihrem Sortiment. Der Stopselzieherweg findet sich auch in Klettersteigführern wieder, Material ist also genug vorhanden.

Weitere Informationen

Hinfahrt: mit dem Nachtzug nach Innsbruck, weiter mit einem Regionalzug nach Garmisch-Partenkirchen und mit einem weiteren Regionalzug nach Ehrwald
Aufstieg: vom Bahnhof Ehrwald über den Stopselzieher (Klettersteig A/B) auf die Zugspitze – 6 Stunden
Abstieg: 10 Minuten (die Tiroler Zugspitzbahn macht’s möglich)
benutzte Karte: AV 4/2 und f&B WK 322
Rückfahrt: wie Hinfahrt

Karten und Literatur bei freytag & berndt, Wallnerstraße 3, 1010 Wien erhältlich, outdoor@freytagberndt.at, +43(0)1 533 86 85-15, www.freytagberndt.at

Sollten Fragen, Anmerkungen, Hinweise oder Ergänzungen auf der Zunge brennen, bitte entweder ein Kommentar am Beitragende hinterlassen oder eine E-Mail an martin@gehlebt.at senden.

Karte und GPS-Download

Download file: Zugspitze.gpx

Beitrag teilen:

Du willst über Neuheiten von Österreichs Weitwanderwegen informiert bleiben? 

This is a success preview text.

This is a error preview text.

2 Kommentare

  1. Hallo Mel,
    als Tipp: meide den Sommer, probiere es im September oder sogar noch im Oktober (wenn das Wetter passt). Dann kannst du die Menschenmassen mehr oder weniger umgehen.
    lg Martin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert