„Herr Hofer?“
„Moser. Aber ja, ich habe ein Taxi bestellt.“
„Wagrain, gell?“
„Geht Kleinarl auch?“
„Aber sicher!“

Mit Sack und Pack nach St. Johann im Pongau.

Montag Nacht, es ist 23:12 Uhr. Vom Bahnhof in St. Johann im Pongau lasse ich mich mit einem Taxi ins schon verschlafene Kleinarl chauffieren. Eine rot leuchtende Laufschrift begrüßt mich aus dem Inneren der Tourismusinformation in der Region Wagrain-Kleinarl. Mein Ziel liegt jedoch ganz woanders. Südwärts, oberhalb. Während meine Wandergruppe schon seit gestern im Naturpark Riedingtal im Salzburger Lungau unterwegs ist, stoße ich erst ab der Tappenkarseehütte zur motivierten Hüttenwandertruppe dazu. Doch vorerst muss ich ohne Schlaf die Nachtwandertour hinter mich bringen. Es ist 23:43 Uhr.

Kurzinformationen zur Hüttentour

Gesamtlänge und Höhenmeter im Aufstieg: 45,4 km und 3.480 Hm
Tag“ 1 – 13,2 km – 970 Hm: Anreise mit der ÖBB über Salzburg nach St. Johann im Pongau, weiter mit dem Taxi Express nach Kleinarl (ca. 40 Euro). Nachtwanderung über Jägersee und Tappenkarsee zur Tappenkarseehütte (1.820m). Ankunft um 6 Uhr früh bei der Tappenkarseehütte.
Tag 2 – 13,9 km – 1.070 Hm: Von der Tappenkarseehütte Aufstieg zum Kreuzeck (2.204m), weiter über Nebelkarscharte (2.453m) und Murtörl (2.260m) hinab ins Murtal. Abstecher zum Murursprung (ca. 15 Minuten), wieder retour und weiter zur Sticklerhütte (1.750m, geschlafen im Matratzenlager, Hüttenschlafsack erforderlich, Preise günstig bis normal).
Tag 3 – 18,3 km – 1.440 Hm: Von der Sticklerhütte Aufstieg zur Riedingscharte (2.274m) und Übergang zum Weißeck (2.711m, höchster Punkt der Radstädter Tauern). Retour zur Riedingscharte und Abstieg Richtung Riedingtal. Kurz vor der Boarnlacke jedoch wegloser Übergang am Kamm über Schwarzkogel zur Riedingspitze (2.266m). Gleicher Weg wieder retour, Abstieg zur Königalm und am Almwanderweg zur Schliereralm am Schlierersee (1.495m, geschlafen im Bett mit Bettwäsche).

Kartenmaterial für das Gebiet: Alpenverein 45/1 Niedere Tauern 1, 1:50.000* (benutzte Karte) | freytag & berndt WK 202, 1:50.000* | Kompass WK 67, 1:50.000* | BEV ÖK50 3222*, 3228* und 3229*

Wanderführer für das Gebiet: Rother Wanderführer Lungau* | Anton Pustet Wanderführer Lungau*

Download file: 1707_Huettenwandertour_Riedingtal_Salzburg.gpx

„Tag“ 1 und Tag 2: Kleinarl – Tappenkarseehütte – Sticklerhütte

Viel tut sich hier nicht in Kleinarl an einem Montag kurz vor Mitternacht. So stapfe ich einsamen Fußes den Kleinarlbach entlang Richtung Jägersee, während die Müdigkeit über mich kommt.

23:45 Uhr. Kleinarl schläft.

Irgendwo noch vor dem Jägersee überkommt mich neben der Müdigkeit auch noch der Hunger. Ich setze mich auf eine Bank neben dem Kleinarlbach und verspeise mein mitgebrachtes Weckerl. Während ich esse fallen mir die Augen zu. Die Strecke zum Jägersee ist nicht besonders abwechslungsreich, mein Körper fährt auf Sparflamme herunter. Nachdem alles im Magen verstaut ist, ziehe ich mir zusätzliche Kleidung an und lege mich auf die Bank. Das lautstarke Rauschen des Baches ist mir in diesem Moment ziemlich egal. 90 Minuten später wache ich wieder auf.

Der Morgen lässt grüßen.

Mit einem Powernap im Gepäck lässt es sich schon viel leichter gehen. Vorbei am Jägersee, zieht sich die Forststraße bis zum Parkplatz am Talschluss zwar noch etwas in die Länge, der Weg wird jedoch etwas abwechslungsreicher. Ab dem Parkplatz beginnt erst der wahre Aufstiegsweg durch den lichten Wald. Im Schein meiner Stirnlampen weiche ich einigen Alpensalamandern aus. Diese sehe ich bei dieser Nachttour jedenfalls öfter als Menschen.
Eine weitere tierische Begegnung erlebe ich auf halber Höhe des Aufstieges. Rechts von mir kommt Bewegung ins Buschwerk, ich drehe meinen Kopf und zwei Augen leuchten mir im Licht der Stirnlampe entgegen, verschwinden aber sofort wieder. Ich gehe weiter und quere einen baumlosen Graben, einige Meter unterhalb von mir bewegt sich abermals etwas. Ein Fuchs verfolgt mich, kommt immer wieder näher, dreht sich jedoch schnell wieder weg, wendet sich abermals wieder in meine Richtung. Ich gehe weiter und drehe mich alle paar Sekunden um. Immer wieder leuchten mir zwei Augen entgegen, der Fuchs lässt nicht los von mir. Ich drehe mich um und blicke in seine Richtung, sicher eine Minute verharre ich in dieser Position und beobachte. Er beobachtet mich ebenso. Doch irgendwann wird ihm das Gespiele zu blöd und verschwindet im Wald. Ich drehe mich um und verschwinde ebenso wieder im Wald.

Blick über den Tappenkarsee zur gleichnamigen Hütte.

Als ich um halb 6 Uhr früh am Nordende des Tappenkarsees ankomme, ist der Himmel schon in Morgenstimmung. Es gilt noch das Seeufer vorbei an der Tappenkarseealm entlang zu wandern und den kurzen Aufschwung zur hochgelegenen Tappenkarseehütte zu nehmen. Kurz nach 6 Uhr früh setze ich mich auf die Terrasse, lasse den kalten Westwind an mir vorbeiziehen und blicke in den rötlich gefärbten Himmel.

Die Glingspitze im Morgenlicht, die Tappenkarseehütte über dem See.
Bekanntschaft mit dem Salzburger Almenweg wird hier gemacht.
Mäanderförmige Zuflüsse des Tappenkarsees.
Tappenkarseehütte im Morgenlicht.
Die Sonne mogelt sich am Weißgrubenkopf vorbei.

Wandersleut am Zentralalpenweg 02 kennen die Tappenkarseehütte als Ort der Entscheidung. Ab hier verzweigen sich nämlich die Wege des Zentralalpenweges. Während die Nordvariante gletscherfrei in den Westen weiterführt, lässt der südliche Weg keine Gletscher und keine hohen Berge aus.
Nach einem kleinen Frühstück bei der Tappenkarseehütte, welches über zwei Materialseilbahnen und einer Bootsfahrt über den See angekarrt wird und mich der Hüttenwirt schon als Nachtwanderer begrüßt hatte, wandere ich nun nicht mehr alleine die nächsten zwei Tage weiter. Mit dem 2.204m hohen Kreuzeck wird ein einfacher Gipfel gleich zu Beginn der Tagesetappe absolviert.

Am Aufstieg zum Kreuzeck mit Blick zum Tappenkarsee.
Gräben über Gräben im Tappenkar.
Die Kuh verrät es: Am Salzburger Almenweg gibt es Almen.
Kurzer Übergang zum Glettentörl mit Blickrichtung Hohe Tauern.

Vom Kreuzeck führt ein markierter Weg am Kamm entlang, ehe dieser jedoch östlich den Hang hinunterführt. Gemütliche Wiesenwege mit Blick zur Hochalmspitze, unterbrochen von einem kurzen, aber kaum nennenswerten seilversicherten Wegstück, führen uns an den Rand der Wasserfallscharte. Diese begehen wir jedoch nicht, da der Weg davor südöstlich steiler werdend und mit brüchigem Schiefergestein durchsetzt zur Nebelkarscharte auf 2.542m führt. Das nur 80 Meter hohe Nebelkareck rechts von mir lasse ich jedoch unbeachtet. Schlafmangel macht sich bemerkbar.

Wer noch nicht weiß, wo man Pferde stehlen kann…
Es is Summa, nix is schena.
Posen vor dem Weißeck.
Blick ins Riedingtal.
Tierische Begleitung am Weg zur Nebelkarscharte.

Während ein Teil der Wandergruppe den weglosen Übergang zur Riedingscharte über den Kamm dazwischen in Angriff nimmt, bin ich Teil der gemütlicheren Wandergruppe und steige mit Schafbegleitung zum Murtörl ab. Sind wir froh, dass wir keine Schafe suchen müssen. Denn am 12. Juli 1954 verunglückte hier ein Bauer, weil er eingeschneite Schafe suchte. 24 Jahre später am 28. August verunglückte hier ebenso ein Wanderer aus Amsterdam im Schneesturm. Gut, dass an diesem tödlichen Ort heute maximal Regen möglich ist. Gewitter aber auch, wie man schon in der Ferne hört.

Am Murtörl sind schon einige Leute erfroren. Wir schaffen es heute aber ohne.
Blinder Passagier am Abstieg ins Murtal.

Kurz kommen wir sogar in die Verlegung, einen Regenschutz anzuziehen. Doch das Getropfe aus dem Himmel hält sich nicht besonders lang, dafür benötigt der Abstieg ins Murtal etwas höhere Konzentration. Der Weg führt durchs Gemüse, Wacholderbüsche hängen in den Weg, oft ist nicht zu sehen, wo man denn da eigentlich hinsteigt. Mit Sonnenbegleitung landen wir im Murtal und abermals trennt sich die Gruppe. Während manche gleich den Weg zur Sticklerhütte einschlagen, folgen wir dem Wasser bergwärts zum Murursprung. Mittlerweile bewegen wir uns im östlichen Ende des Nationalparks Hohe Tauern. Ein Holzschild an einem Stein befestigt teilt uns diese Erkenntnis mit. Auf 1898m Seehöhe startet hier die Mur ihren 444km langen Flussverlauf durch Salzburg, Steiermark, Slowenien, Ungarn und Kroatien.

Die Mur: ein Salzburger Original.
Teufelskralle am Murursprung.

Der Weg zur Sticklerhütte ist simpel: einfach der Mur im Talboden folgen. Von den eifrigen und aufgeweckten Wirtsleuten werden wir begrüßt und umsorgt. Eine Kaspressknödelsuppe stillt den ersten aufkommenden Hunger, Murwasser (Quellwasser mit Preiselbeeren) den Durst. Obwohl Schlaf schon dringend notwendig ist und die Müdigkeit erbarmungslos zuschlägt, wird der Abend lang. Mein Kopf berührt den Polster und weg bin ich. Guats Nächtle!

Tag 3: Sticklerhütte – Weißeck – Riedingspitze – Schliereralm

Guten Morgen von der Sticklerhütte mit einem Frühstück, das keine Wünsche übrig lässt. In der Nacht fielen starke Regenfälle im Lungau nieder, in der Früh zeigt sich das Salzburger Land vorerst von seiner sonnigen Seite.

Nach einer regnerischen Nacht auf der Sticklerhütte.
Die Sticklerhütte der AV Sektion Graz.

Der Aufstieg zur Riedingscharte startet bei der Sticklerhütte mit einem gemütlichen und breiten Almweg weggleich mit dem Arnoweg, verschmälert sich zu einem einfach zu gehenden Wiesensteig Richtung Scharte. Bei der Scharte angekommen, treffen wir auf eine große Seniorengruppe, welche aus dem Riedingtal aufgestiegen sind. Was wir gemeinsam haben: Nicht das Alter, aber die Tatsache, dass wir alle den Regenschutz anlegen. Es lässt sich nun nicht mehr leugnen, dass das Wetter für den Aufstieg grau und vor allem windig sein wird. Konstant steigt der gut markierte Wanderweg Richtung Gipfel an, manche Stellen sind etwas schroff ausgeführt, stellen aber kein besonders hohes Hindernis dar. Die letzten Meter zum Gipfel führen über das dankbar flache Gipfelplateau. Wir landen jedoch zum ungünstigsten Zeitpunkt auf dem Gipfel, peitscht uns doch der Regen ins Gesicht.

Gruhpies am Weg zum Weißeck.
Menschen, denen Schlechtwetter egal ist, am Weg zum Weißeck.
Blick in die Hohen Tauern hinter mir. Dort, wo es mittlerweile nicht mehr regnet.
Dankbares Gipfelplateau am Weißeck.

Nach nur sehr kurzem Aufenthalt am Gipfel, starten wir mit dem Abstieg vom besagten Schlechtwetterspot. Und ja, im Abstieg kommt dann auch die Sonne raus. So wie es sich gehört für eine Gipfelbesteigung.

Regen im Aufstieg, Sonne im Abstieg.
Bergwelt, einmal durchgewaschen.
Meine neuen Lieblinge kommen aus Neuseeland – Schuhe von Kathmandu.

Wieder retour bei der Riedingscharte angekommen, wird der Weg ins Riedingtal fortgesetzt. Ein Teilnehmer der Gruppe spaziert voraus und hat sich weglos zur Riedingspitze aufgemacht. Gestern hätte ich wegen Schlafmangel nicht mal daran gedacht, aber heute passt’s. Ich verstecke meinen Rucksack hinter einem Felsen, ziehe die Trailschuhe über und starte mit dem Verfolgungslauf. Ich laufe westlich des Pfefferkogels an zwei kleinen Seen vorbei und steige aufwärts zum Kamm. In Direttissima-Variante überklettere ich den Schwarzkogel (I+) und steige wieder in gerader Linie auf den grasigen Sattel zwischen Schwarzkogel und Riedingspitze ab, ehe ich nun etwas steiniger mit teilweise sichtbaren Steigspuren hinauf zum Gipfel der Riedingspitze laufe und nur kurz nach meinem Vorwanderer ankomme. Von der Riedingspitze präsentiert ein fabelhafter Blick über das komplette Riedingtal, sowie Mosermandl, Weißeck und darüber hinaus. Am Rückweg zum Wanderweg werden wir auf natürlichem Wege mit dem Anblick eines Edelweiß belohnt.

Genau, zur Riedingspitze führt dieser weglose Kammübergang.
Blick aufs Weißeck von der Riedingspitze.
Abseits des Weges herumstreifen wird mit einem Edelweiß belohnt.

Der Abstieg ins Riedingtal gelingt uns relativ schnell. Während sich der Rest der Gruppe schon das erste Bier bei der Zauneralm in die Kiemen gekippt hat, stoßen wir gerade erst dazu. Auf gemütlichen Forstwegen, kurzzeitig einer Asphaltstraße und später dem Almenwanderweg folgend landen wir direkt am eiskalten Schlierersee und der angrenzenden Schliereralm.

Im Riedingtal mit Blick aufs Mosermandl.
Abseits der Almstraße am Riedingbach wandern.
Der eiskalte (wirklich eiskalte) Schlierersee.
Ankunft bei der Schliereralm.

Einem kühlenden Weißbier auf der Sonnenterrasse folgt ein zaghafter Sprung in den noch kälteren Schlierersee, ehe ich mich danach wieder mit einem kalten Bier aufwärme. Die Hüttentour im Salzburger Riedingtal findet hier ihr Ende.
Wir verbringen noch eine gemütliche Nacht auf der Schliereralm und brechen erst am nächsten Tag zum Acoustic Lakeside Festival in Kärnten auf. Aber das ist eine andere Geschichte.


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3 Kommentare

  1. Wenn man deinen Blogpost liest, hat man fast das Gefühl, dabeigewesen zu sein. War aber sicher eine fordernde Tour, oder? (Kann ich als Laie nur mutmaßen.)
    Der kalte Schlierersee schaut jedenfalls wunderbar erfrischend aus – wenn auch nicht so kalt, wie er vermutlich wirklich als Bergsee ist.

    Liebe Grüße, Sylvia

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